Warum es (noch) keine Fun Facts über mich gibt und was stattdessen sichtbar wird

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Mein Mandala im Sand mit meinem Mantra im Kreis: Tina 2.0 sein – Schritt für Schritt. Jetzt. Hier. Ich.

Im Blogkurs von Judith Peters, The Content Society, heißt die erste Aufgabe, 53 Fun Facts über sich selber zu schreiben. Für viele klingt das nach einem lockeren Einstieg, nach Leichtigkeit und eine schöne Gelegenheit, das eigene Leben Revue passieren zu lassen. Für mich war mein erster Impuls bei dieser Aufgabe eine tiefe Traurigkeit. Denn vieles, was einmal war, ist es heute nicht mehr. Die alte Tina mit ihrer Kraft, Energie, Leistungsfähigkeit und ihrem Funktionieren ist gestorben. Nicht plötzlich, aber unaufhaltsam. Durch Post-Covid und ME/CFS hat sich alles geändert. Mein bisheriges Leben wurde stillgelegt.

Aber ich bin nicht verschwunden. Ich bin in ein anderes Leben neu geboren und darf mich selbst ganz neu entdecken. Ein Leben mit anderen Spielregeln. Mit Pausen, Ungewissheit und radikaler Ehrlichkeit. Ein Leben, das leiser ist. Ein Leben, das anders ist.

Das bin ich. Tina auf dem Heilungsweg. Nicht am Ziel, aber sichtbar.

Ich weiß, dass das meine Geschichte ist. Aber sie jetzt sichtbar zu machen, fühlt sich an, als würde ich mir einen Spiegel vorhalten, der zeigt, was im Moment fehlt. Rational verstehe ich, dass Veränderung dazugehört. Emotional ist die Trauer um die alte Tina aber noch sehr präsent. Ich trauere um das Gefühl, „normal“ zu sein und einfach mitmachen zu können.

Fatigue als Wendepunkt, nicht als Ende

Fatigue hat mich auf einen Weg geschickt, den ich mir nie ausgesucht hätte. Sie konfrontiert mich mit mir selbst. Sie zwingt mich, langsamer zu gehen, und fordert mich heraus, Seiten an mir zu sehen, die ich früher aus Tempo, Pflichtgefühl und Leistungswille übergangen habe. Sie gibt mir die Chance, Geduld zu lernen, Kontrolle loszulassen und mein Leben radikal zu vereinfachen. Ich habe die Möglichkeit, mich noch einmal komplett neu zu orientieren.

Trotz all dieser Chancen gibt Tage, an denen ich hadere, traurig bin und mir mein altes Leben zurückwünsche. Aber ich weiß, ich habe keine andere Wahl, als diesen Weg anzunehmen. Nicht trotz, sondern gerade wegen und mit der Erkrankung.

Zwischen Freude und Vergleichen

Es gibt viele Momente, in denen ich mich freue, obwohl alles anders ist. Ich freue mich über eine Bewegung, die wieder möglich ist. Über kognitive Klarheit. Über Begegnungen, die gelingen. Und doch ist da immer wieder dieser Moment, in dem ich Andere sehe. Menschen, die scheinbar mühelos durch ihren Tag gehen, Projekte stemmen, Dinge erledigen, alles schaffen, was sie sich vornehmen. Von außen sieht ihr Leben so leicht und normal aus. Dann kommt der Vergleich. Und mit ihm Zweifel, Scham, Rückzug und Schmerz. Es tut weh, zu sehen, was ich im Moment nicht (mehr) kann.

Ich weiß, dass das Außen nicht mein Maßstab sein darf. Aber wenn mein neues Selbstbild noch brüchig ist, wirkt die Erinnerung an die alte Tina schnell übermächtig. Genau hier stehe ich gerade: zwischen der Vergangenheit, die mich lockt, und einer Zukunft, die ich noch nicht kenne.

Ich bin nicht mehr die alte Tina und die neue Tina ist noch im Entstehen. Manchmal fühlt es sich an, als würde ich zwischen zwei Welten pendeln. Genau in diesem Dazwischen lerne ich, mich zu halten, auch dann, wenn der Vergleich schmerzt.

Deshalb schreibe ich. Nicht um zu erklären, sondern um zu zeigen, dass ich trotzdem da bin. Es ist ein vorsichtiges Sichtbarwerden, ein Blick nicht zurück, sondern mitten hinein ins Jetzt. Für alle, die spüren, dass das Alte nicht mehr passt, aber das Neue noch keine feste Form hat, sondern erst eine Richtung. Eine Verwandlung Schritt für Schritt. Jetzt. Hier. Ich.

Und genau dieses Dazwischen wollte ich sichtbar machen und festhalten zu einem Zeitpunkt meiner Heilungsreise, zu dem vieles noch unsicher ist.

Tina 2.0 – Was entsteht, wenn nichts mehr wie früher ist?

Anfang des Jahres saß ich bei Ebbe in Portugal am Strand. Inspiriert durch die liebe Caroline Beck, die ihre Gedanken als Mandala im Sand malt, spürte ich plötzlich den Wunsch, das, was gerade ist, in eine Form zu bringen. In etwas, das meine aktuelle innere Bewegung spiegelt.

Ein Moment nur mit mir. Ich zeichne mein Mandala in den Sand. Nicht perfekt, nicht geplant. Einfach ich.

Ich griff nach einem Stock, der wie zufällig genau dort lag, als hätte er auf mich gewartet. Und begann, ein Mandala in den Sand zu zeichnen. Nicht perfekt. Nicht geplant. Einfach ein Moment, der sein wollte. Und dann stand dort mein neues Mantra, das meinen Zwischenraum beschreibt:

Tina 2.0 Sein – Schritt für Schritt. Jetzt. Hier. Ich.

Was das für mich bedeutet?

Jetzt, also nicht morgen, nicht irgendwann.

Hier, also nicht in Gedanken, nicht in Erwartungen.

Ich, nicht Funktion, nicht Rolle, einfach Tina.

Dieses Mantra ist mein innerer Kompass geworden, wenn ich mich verliere. Es erinnert mich daran, dass ich nicht zurück muss und auch nicht vorauseilen brauche. Tina 2.0 entsteht Schritt für Schritt. Jetzt. Hier. Ich.

Mein Moment an der Algarve. Unten am Strand mein Mandala für Tina 2.0 – Schritt für Schritt. Jetzt. Hier. Ich.

Was ich am Strand noch nicht wusste: Das Mandala hatte Folgen. So schön die Zeit am Strand auch war und so symbolisch das Mandala auch ist, es war auch ein bisschen zu viel. Ich bin meine Energiegrenze übergangen und im Crash gelandet. Über das schwierige Spiel von Belastung und Entlastung berichte ich euch in einem anderen Artikel.

17 neue Dinge, die mich mit Fatigue bereits begleiten

Neben all den Momenten des Zweifelns, Vergleichens und Suchens entdecke ich bereits Veränderungen auf meiner Reise zu Tina 2.0. Judith wollte 53 Fun Facts. TADAAA, ich teile mit euch 17 Dinge, die heute in meinem Leben mit Post Covid und Fatigue bereits neu sind:

  1. Qualität statt Quantität im Alltag
  2. Genuss für den Moment
  3. Achtsamkeit für meine Grenzen
  4. Mut, Hilfe anzunehmen
  5. Bewusste neue Bewegungen statt Sportsucht
  6. Selbstfürsorge als Priorität
  7. Pausen als Teil meines Lebenskonzepts
  8. Wertschätzung für kleine Fortschritte
  9. Kreativität im Umgang mit Energie
  10. Loslassen von Perfektionismus
  11. Selbstmitgefühl statt Selbstkritik
  12. Tieferes Verständnis für mich und andere
  13. Bewusster Umgang mit Aufgaben
  14. Prioritäten neu setzen
  15. Kommunikation über Bedürfnisse
  16. Akzeptanz von Ungewissheit
  17. Neues Selbstbild entwickeln

Ich lasse diese Auflistung einfach für sich stehen. Sie ist kein Rezept, sondern eher eine Sammlung von leisen Veränderungen, die sich langsam in mein Leben schleichen. Nicht alles gelingt immer, manches ist schon Alltag geworden und manchmal reicht es, überhaupt zu bemerken, dass etwas anders wird.

Tina 2.0 Sein – Schritt für Schritt. Jetzt. Hier. Ich.

Mein Mantra „Tina 2.0 Sein – Schritt für Schritt. Jetzt. Hier. Ich.“ lehrt mich, Dinge nicht mehr „zu schaffen“, sondern zu spüren. Es erinnert mich daran, dass mein Körper das Tempo bestimmt und ich die Richtung gestalten darf.

Und wer weiß, vielleicht kommt ja wirklich der Tag, an dem ich Judiths Aufgabe mit den 53 Fun Facts voller Stolz veröffentlichen kann. Dann gibt es 53 Fakten über die neue Tina mit Espressomomenten, Pausen, viel innerer Transformation und natürlich mit Elementen der alten Tina, die ich ja nicht komplett verloren habe. Vielleicht auch mit Fallschirmspringen, denn die alte Tina liebte den freien Fall. 😉

Ausblick

Ich weiß noch nicht, wie Tina 2.0 am Ende aussehen wird. Aber ich bin auf dem Weg. Und vielleicht bist du es auch. Lass uns gemeinsam herausfinden, wie ein neues, gutes Leben aussehen kann, wenn das alte Leben nicht mehr geht. Wie gehst du mit deinem Dazwischen um? Ich freue mich, wenn du deine Gedanken und Erfahrungen in den Kommentaren mit mir teilst.

9 Kommentare

    1. Liebe Natalie, Danke dir von Herzen fürs Lesen und deine Worte! 😊 Ja, es hat Mut gekostet, aber genau das wollte ich zeigen. Was möglich ist, auch wenn es sich lange nicht so anfühlt. Liebe Grüße, Tina

  1. Liebe Tina,

    ich sitze hier mit Tränen in den Augen, so sehr hat mich dein Artikel berührt und die Geschichte um Dein Mandala, das so wunderschön ist und dann doch zu viel Kraft gefordert hat. Ich wünsche Dir von Herzen, dass das Schreiben dir Kraft gibt. Dein Blogbeitrag ist wundervoll geschrieben, er hat mich berührt und mitgenommen. Ich wünsche Dir alles Gute, viele liebe Grüße, Heike

    1. Liebe Heike, deine Worte haben mich berührt. Danke für dein Mitfühlen. Ja, das Schreiben schenkt mir tatsächlich Kraft, weil „wir“ mit dieser Erkrankung oft unsichtbar sind und auf Unverständnis stoßen. Vielleicht kann ich damit beitragen, dass „wir“ sichtbarer werden. Von außen ist alles normal, man sieht sie nicht. Dass dich der Beitrag bewegt hat, bedeutet mir sehr viel. Danke fürs Lesen und für deine liebe Rückmeldung 🙏! Herzliche Grüße, Tina

  2. Liebe Tina, ich finde es absolut mutig, so offen über dich und deine Situation zu schreiben. Und auch wenn das Mandala am Strand dich viel Kraft gekostet hat, bin ich mir sicher, dass es dir auch jede Menge Energie gibt. Du hast tolle Fotos in deinem Beitrag und machst den Leser neugierig. Ich will auf jeden Fall mehr über die Tina 2.0 erfahren – aber auch wie es ihr auf dem Weg dahin ergeht. Wir haben ja beide Gesundheitsthemen und ich finde es wichtiger denn je, mit unseren Themen rauszugehen und damit Menschen zu helfen. Weiter so!

    1. Liebe Denise, danke dir von Herzen für deine liebe Nachricht und das Feedback. Ja, das Mandala hat Kraft gekostet, aber es war auch eine tolle Erfahrung. Auch die, dass das Mandala nicht lange bestehen bleibt, weil sich das Meer den Sand zurückholt und damit das Mandala schnell vergänglich ist. Es freut mich, dass du neugierig auf Tina 2.0 bist. An manchen Tagen bin ich es auch 😊. Und du hast so recht: Es ist wichtig mit unseren Themen rauszugehen und damit ehrlich sichtbar zu sein. Danke fürs Dasein! Liebe Grüße, Tina

  3. Liebe Tina, danke für diesen wunderschönen, ehrlichen Beitrag. Mit meiner Burnout-Erfahrung konnte ich einige Inhalte sehr gut nachvollziehen. Du verwendest eine sehr poetische Sprache, beeindruckend. Herzliche Grüsse und alles Gute für deinen weiteren Weg zu Tina 2.0.

    1. Liebe Sabine, lieben Dank für deine Wort. Es freut mich sehr, dass du dich bei meinem Erstlingswerk wiederfinden konntest. Burnout und Fatigue sind unterschiedlich, aber dieser innere Kampf um Kraft, Sichtbarkeit und viel Unverständnis verbindet uns. Danke, dass du das mit mir teilst. Liebe Grüße, Tina 🙂

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